Das Buch Daniel
Thema: Gottes Reich kommt
Gelobt sei der Name Gottes von Ewigkeit zu Ewigkeit, denn ihm gehören Weisheit und Stärke! Er ändert Zeit und Stunde; er setzt Könige ab und setzt Könige ein; er gibt den Weisen ihre Weisheit und den Verständigen ihren Verstand.
Daniel 2,20f (Lut84)
Platz im Kanon
Nach der griechischen und lateinischen Tradition unter den Propheten; in der jüdischen Überlieferung in den Ketuvim, nach dem Talmud in einer national-historischen Reihe Klg – Dan – Est – EsrNeh (Steinberg).
Gattung
Das Buch Daniel wird zur Gattung der Apokalyptik gerechnet; diese ist am besten aus einer Verbindung von mantischer Weisheit (Zeichen- und Traumdeutung) und Prophetie zu verstehen. In der Person des Daniel vereinen sich die Ämter des Weisen am Königshof und des Propheten, der im Namen Gottes die Zukunft verkündet. Zusammen mit dem Estherbuch (und Tobit) können vor allem die Erzählungen von Dan 1–6 auch zur Gattung der „diaspora agenda“ gerechnet werden, d. h. es handelt sich um Texte, die beschreiben, wie man sich als frommer Jude in der Situation der Diaspora verhalten soll.
In klassischen Einleitungen ist öfter die Ansicht zu hören, Daniel gehöre eigentlich unter die Prophetenbücher und stehe nur deshalb in den Ketuvim, weil es zu einem Zeitpunkt verfasst worden sei, an dem der Prophetenkanon bereits abgeschlossen gewesen sei. Diese Ansicht ist von drei Seiten her zu hinterfragen:
- Die Vorstellung eines Kanonabschlusses in drei Stufen, bei dem 400 v. Chr. die Tora, 200 v. Chr. die Propheten und 100 n. Chr. die Ketuvim abgeschlossen wurden, ist heute in der wissenschaftlichen Diskussion kein Konsens mehr.
- Die Ansicht, das Buch Daniel sei ein „typisches“ Prophetenbuch und gehöre eigentlich unter die Propheten, ist anzuzweifeln.
- Die Spätdatierung des Danielbuches ist zu diskutieren (s. u.).
Auf dieser Seite
Datierung
Drei Bücher im alttestamentlichen Kanon sind, was die historischen Fragen betrifft, besonders heiß umkämpft, gerade in der Auseinandersetzung von „konservativer“ und „liberaler“ Theologie: Der Pentateuch, Jesaja und Daniel.
In der historisch-kritischen Forschung wird für die Datierung des Danielbuches heute fast durchgehend die sog. Makkabäerthese vertreten: Da das Buch, besonders in Kap. 11, Ereignisse der Makkabäerzeit bis 164 v. Chr. recht detailliert beschreibt, geht man davon aus, das Buch sei in dieser Zeit entstanden. Die Prophetie wäre demnach erst nach ihrer Erfüllung aufgeschrieben worden (à vaticinium ex eventu). So schreibt beispielsweise W. Towner:
We need to assume that the vision as a whole is a prophecy after the fact. Why? Because human beings are unable accurately to predict future events centuries in advance and to say that Daniel could do so, even on the basis of a symbolic revelation vouchsafed to him by God and interpreted by an angel, is to fly in the face of the certainties of human nature. So what we have here is in fact not a road map of the future laid down in the sixth century B.C. but an interpretation of the events of the author’s own time, 167–164 B.C. …
Wayne Sibley Towner, Daniel, Interpretation (Atlanta, Georgia: John Knox, 1984), 115.
Die Makkabäerthese fußt also hier auf einer rationalistischen Weltanschauung, die göttliches Handeln methodisch ausschließt (methodischer Naturalismus). Nicht immer wird dies allerdings so klar zum Ausdruck gebracht.
Denkbar ist natürlich auch die Position, dass man generell für göttliche Offenbarung der Zukunft offen ist, im Falle von Daniel aber dennoch skeptisch bleibt.
Verbunden mit der Makkabäerthese wird oft eine sog. Aufstockungshypothese vertreten, die die Entstehung des Danielbuches in mehreren Schritten beschreibt, von „umlaufenden Daniel-Einzelerzählungen“ angefangen bis zum „makkabäischen Trostbuch für den Religionskampf“.[1]
Im theologisch konservativen Bereich wird demgegenüber meist an einer Datierung in das 6. Jh. v. Chr., d. h. in die Zeit des babylonischen Exils, festgehalten.[2] Man geht davon aus, dass Daniel die Visionen zu den Zeitpunkten empfing, die im biblischen Text angegeben sind – sog. Exilsthese. Dies bedeutet nicht zwingend, dass die Endfassung des Danielbuches auch von Daniel stammt – die Abschnitte, in denen in der dritten Person von ihm erzählt wird, könnten auch von einem anderen Verfasser stammen. Die Makkabäerthese wird im konservativen Bereich vor allem deshalb abgelehnt, weil sie dazu führt, das Buch Daniel als „fingierte“ Weissagung, als „Fälschung“, einzustufen.
Die konservative Datierung hat auf jeden Fall die sprachlichen Argumente für sich. Das Hebräische steht dem der Chronik (5. / 4. Jh. v. Chr.) nahe und ist älter als das von Qumran (2. bis 1. Jh. v. Chr.) und der Mischna (ca. 2. Jh. v. Chr. bis 2. Jh. n. Chr.). Gleiches gilt für den aramäischen Buchteil 2,4b–7,28, der der Sprache des Esrabuches und der aramäischen Papyri des 5. Jh. v. Chr. wesentlich ähnlicher ist als den in Qumran aufgefundenen aramäischen Texten. Die Qumranfunde zeigen außerdem, dass das Buch um 100 v. Chr. bereits über ein relativ weites Gebiet verbreitet war.
Gegen die konservative Datierung wird oft das Sirachbuch herangezogen (Entstanden um 180 v. Chr). Im „Lob der Väter“ (Kap. 44–49) werden wichtige Gestalten der Hebräischen Bibel zusammengestellt, wobei allerdings Daniel fehlt. Dieses argumentum e silencio darf aber nicht zu sehr gepresst werden:
- Das Lob der Väter handelt von der großartigen geschichtlichen Vergangenheit Israels. Daniels Botschaft bezieht sich auf eine viel spätere Zeit.
- Die Erwartung einer zukünftigen Heilszeit spielt in der Theologie Ben Sirachs generell keine Rolle.
- Auch andere wichtige biblische Personen fehlen im „Lob der Väter“, wie z. B. Esra (während Serubbabel, Jeschua und Nehemia genannt werden).
Unabhängig von solchen Argumenten sind die oben genannten weltanschaulichen Vorentscheidungen maßgeblich für die jeweilige Positionierung. Aus diesem Grund wird eine Einigung auch nicht erzielt werden können. Festzuhalten ist aber, dass von einem historischen Standpunkt aus, der für Gottes Wirken in der Prophetie offen ist, exilische Datierung des Buches mit gutem Recht vertreten werden kann.
[1] Klaus Koch, Das Buch Daniel, Erträge 144 (Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1980), 8; Niehr in Zenger u. a., Einleitung 92016, 621–623.
[2] So etwa Dillard / Longman, Introduction, 375.
Die vier Weltreiche im Danielbuch
Die vier Weltreiche im Danielbuch
| Daniel 2 | Daniel 7 | Deutung |
1. | Haupt aus Gold | Löwe mit Adlerflügeln, wird zu einem Menschen | Babylonier |
2. | Brust und Arme aus Silber | Bär, auf der einen Seite aufgerichtet, drei Rippen im Maul | Meder und Perser |
3. | Bauch und Lenden aus Kupfer | Panther mit vier Flügeln und vier Köpfen | Griechen |
4. | Schenkel aus Eisen … | Schreckliches Tier mit eisernen Zähnen … | Römer |
| … Füße aus Eisen und Ton | … und zehn Hörnern | endzeitliches antigöttliches Reich |
| Stein, der zu einem Berg wird | der „Sohn des Menschen“ | Reich Gottes |
Die unterschiedlichen Positionen bezüglich der Echtheit von Prophetie hat auch Einfluss auf die Deutung der vier Weltreiche, deren Abfolge im Danielbuch in Kap. 2 und 7 behandelt wird.
- „Konservative“ Forschung: 1. Babylonier, 2. Meder und Perser, 3. Griechen, 4. Römer[1]
- „Liberale“ Forschung: 1. Babylonier, 2. Meder, 3. Perser, 4. Griechen[2]
Die Zählung der Meder und Perser als jeweils eigene Reiche in (b) erfolgt mit der Absicht, die Prophetie nicht weiter als bis 164 v. Chr. in die Zukunft reichen zu lassen. Historisch gesehen handelt es sich bei dem medopersischen Weltreich allerdings um ein einziges Reich. Unterstellt wird bei (b) also, das Danielbuch säße einem historischen Irrtum auf. Begründet wird dies u. a. mit Dan 6,1, wo es heißt, Darius „der Meder“ habe die Macht übernommen.
Im Danielbuch wird das medopersische Reich allerdings durchgehend als ein einziges Reich gesehen:
- In 5,28 entschlüsselt Daniel die Schrift an der Wand und übersetzt: „Peres: Geteilt wird dein Reich und den Medern und Persern gegeben.“ Die Meder und Perser werden also gemeinsam genannt; die Schrift selbst bezieht sich sogar ausschließlich auf die „Perser“.
- In Kap. 8 tritt ein Widder mit zwei ungleichen Hörnern auf, der das medopersische Reich als ein Reich symbolisiert, wie 8,20 sagt. Die beiden Hörner symbolisieren dabei die Meder und die Perser.
- In 6,1 heißt es zwar, dass Darius der Meder die Macht übernahm, doch ist Darius durchgehend dem Gesetz der Meder und Perser verpflichtet (6,9.13.16). Darius wird also als medischer König innerhalb des medopersischen Reiches angesehen.
- Der in Kap. 8 als Medopersien gedeutete Widder stößt nach Westen, Norden und Süden, nicht aber nach Osten. Dies entspricht der Beschreibung des zweiten Tieres in Dan 7, des Bären, der nur nach einer Seite hin aufgerichtet ist und drei Rippen im Maul hat, die das Fressen von Fleisch, d. h. Erobern von Ländern, in drei Himmelsrichtungen symbolisiert. Es ist daher anzunehmen, dass auch der Bär in Dan 7 das medopersische und nicht das viel kleinere medische Reich symbolisiert.
- Der in Kap. 8 mit Griechenland identifizierte Ziegenbock kommt „über die ganze Erde“. Das dritte Königreich in Kap. 2 herrscht „über die ganze Erde“, das dritte Tier in Kap. 7 „herrscht“ der Vierzahl der Köpfe zufolge in allen vier Himmelsrichtungen. Historisch entspricht dem, dass das griechische Reich das persische an Ausdehnung übertraf. Die Vierzahl lässt sich zusätzlich mit der Vierteilung des griechischen Reiches nach Alexanders Tod parallelisieren, die in Kap. 8 durch die vier Hörner symbolisiert wird. Das dritte Reich lässt sich also textintern wie historisch wesentlich besser mit dem griechischen als mit dem persischen Reich identifizieren.
Eine andere Deutungsvariante lässt die vier Reiche ebenfalls mit Antiochus Epiphanes enden:
- Babylonier, 2. Meder und Perser, 3. griechisch-mazedonisches Reich, 4. Seleukidenreich
Doch wird das vierte Reich sowohl in Kap. 2 als auch in Kap. 7 als besonders furchterregend und stark beschrieben, als ein Reich, das alles zermalmt, was sich ihm in den Weg stellt. Diese Beschreibung trifft auf das Seleukidenreich nicht zu, das kleiner war als alle vorangegangenen Reiche, regelmäßig Niederlagen erlitt und auch vor den Römern zurückweichen musste (11,30).[3]
[1] So etwa Dillard / Longman, Introduction, 394.
[2] So etwa Helmut Niehr in Zenger u. a., Einleitung 92016, 624.
[3] Eine weitere Variante vertritt Goldingay, Daniel (WBC), 49–51 bzw. 175f: Nach seinem Verständnis sei Dan 2 zunächst auf vier Könige Babylons und der Stein auf Kyros bezogen worden. Spätere Leser hätten dann eine Aufteilung in vier Reiche vorgenommen. Bei Dan 7 deutet er das 1. Königreich auf Babylon und das vierte Königreich auf das Griechische Reich (unter Alexander), dabei gibt er zu bedenken, dass die Deutung des zweiten und dritten Reichs nicht entscheidend für die intendierte Bedeutung seien, weil darauf nicht der Fokus liege.
Antiochus Epiphanes als Typos für den endzeitlichen Gottesfeind
In Jerusalem war die hellenistische Zeit bestimmt von Streitigkeiten zwischen pro- und antihellenistischen Gruppen. Antiochus Epiphanes, 175–163 v. Chr., König des Seleukidenreiches, außenpolitisch stark unter Druck, versuchte verschiedentlich einzugreifen, doch bekam er die Situation nicht unter Kontrolle. Schließlich identifizierte er die jüdische Religion als Quelle allen Widerstandes und ergriff scharfe Maßnahmen: Verbot der Opferhandlungen im Tempel; Verbot von Sabbat und Festtagen; Vernichtung von Torarollen; Verbot der Beschneidung; Errichtung von heidnischen Altären; Zwang, Schweinefleisch zu essen. Der Höhepunkt wurde im Dezember 167 (168) v. Chr. erreicht, als Antiochus im Jerusalemer Tempel ein Standbild von Zeus aufstellen ließ sowie einen Altar, auf dem Zeus Schweinefleisch geopfert wurde. Juden wurden gezwungen, an den Opferhandlungen teilzunehmen. Zuwiderhandlungen gegen die neuen Gesetze wurden mit dem Tode bestraft. Das Anliegen von Antiochus war sicherlich, den Gott Israels mit dem höchsten Gott der Griechen zu identifizieren, um über die Religion auch nationale Interessen in Juda vertreten zu können.
Allerdings provozierte Antiochus damit unmittelbar den Aufstand der Frommen unter den Juden. Unter Judas, genannt „Makkabäus“ (d. h. „Hammer“), wurden die griechischen Truppen in mehreren erfolgreichen Schlachten besiegt und der Tempel im Dezember 164 (165) v. Chr. wieder neu geweiht.
Kap. 8 und 11 des Danielbuches handeln prophetisch von Antiochus IV. Epiphanes. In Kap. 8 ist er das „kleine Horn“, das aus einem der vier Hörner des Ziegenbocks erwächst, d. h. aus einem der vier Nachfolgereiche Alexanders des Großen entstand. Dort wird auch von der Aufhebung des täglichen Opfers und von der Reinigung des Tempels nach 2300 (versäumten) Abend- und Morgenopfern, d. h. nach etwas über drei Jahren, gesprochen.
Auch in Kap. 7, der Vision von den vier Weltreichen, ist von einem kleinen Horn die Rede, und zwar in Zusammenhang mit dem vierten Tier bzw. Reich. Dies wird als Argument verwendet, um das vierte Reich mit Griechenland zu identifizieren. Allerdings ist in Kap. 7 das kleine Horn eines von zehn Hörnen, während es in Kap. 8 eines von vier Hörnern ist. In Kap. 7 schließt sich an das Auftreten des kleinen Horns das ewige Königtum Gottes an, in Kap. 8 lediglich die Wiedereinweihung des Tempels.
Mit G. Maier ist daher davon auszugehen, dass in Kap. 7 mit dem kleinen Horn der endzeitliche Feind des Gottesvolkes beschrieben wird, für den Antiochus IV. Epiphanes, um den es in Kap. 8 geht, lediglich ein Modell, eine Vorschattung bzw. einen Typos darstellt.
Wer dagegen das vierte Tier in Kap. 7 mit Griechenland und das kleine Horn mit Antiochus Epiphanes gleichsetzt, muss erklären, wieso das allumfassende Gottesreich, das ebenfalls in Kap. 7 angekündigt wird, noch nicht eingetroffen ist. Bei einer rein zeitgeschichtlichen Auslegung wäre demnach das Danielbuch nach 164 v. Chr. als falsche Prophetie entlarvt und abgelehnt worden.[1]
–> Selbst und besonders bei der Annahme der „Makkabäerthese“ muss also dem Umstand Rechnung getragen werden, dass das Buch Daniel beansprucht, weit über die Zeit des Antiochus Epiphanes hinaus Aussagen über die Zukunft zu machen.
[1] Childs (Introduction, 617–618) geht ebenfalls davon aus, dass das „kleine Horn“ in Dan 8 auf Antiochus IV. Epiphanes zu deuten ist. Er hält es jedoch für eine erklärende spätere Deutung von dem, was Daniel in Dan 7 ausgesagt hat, auch wenn er es nicht für eine „prophecy-after-the-event“ hält. Goldingay (Daniel WBC, 175) deutet das „kleine Horn“ sowohl in Dan 7 als auch in Dan 8 auf Antiochius IV. Epiphanes, wobei er Antiochus IV. einerseits als einen Herrscher der vier Diadochenreiche und andererseits als Herrscher in einer Reihe von Königen sieht. (Fußnoten bearbeitet von Jens Winarske.)
Literarische Struktur
- a) Das Buch Daniel kann in zehn Hauptteile gegliedert werden. Jeder Hauptteil beginnt mit einer Datierung in das Regierungsjahr eines Königs oder einer wesentlichen, einleitenden Handlung eines Königs.
Zehn Hauptteile: Kap. 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10–12
- b) Zweiteilung: Darüber hinaus wird das Buch oft in Kap. 1–6 und 7–12 unterteilt. Bei Kap. 1–6 handelt es sich um Erzählungen, bei Kap. 7–12 um Visionen. Weitere Unterscheidungsmerkmale: In der ersten Buchhälfte wird von Daniel in der 3. Person gesprochen, in der zweiten Hälfte wird er selbst zum Sprecher; in der ersten Hälfte deutet Daniel die Träume anderer, in der zweiten Hälfte wird er selbst zum Empfänger von Visionen; die erste Hälfte befasst sich mit dem Leben unter der heidnischen Fremdherrschaft, die zweite Hälfte dagegen mit deren Ende.
Viele der Argumente verlieren jedoch bei näherer Überprüfung an Klarheit. So spielen auch im ersten Buchteil Träume und Visionen eine wichtige Rolle, und auch im zweiten Buchteil sind die Visionen erzählerisch gerahmt. Die Rahmenverse von Kap. 7 und 10 sprechen wie im ersten Buchteil in der 3. Person über Daniel, lediglich in Kap. 8 und 9 kommt hier Daniel selbst zu Wort. Das stärkste Argument gegen eine Abtrennung nach Kap. 6 schließlich sind die engen inhaltlichen Parallelen zwischen den Visionen in Kap. 2 und Kap. 7. Dazu kommt die Beobachtung einer recht offensichtlichen konzentrischen Struktur der Kapitel 2–7.
Ein weiterer Hinweis auf die Struktur ergibt sich auch aus der Zweisprachigkeit des Buches: Kap. 1 und 8–12 sind in Hebräisch geschrieben, Kap. 2–7 auf Aramäisch.
Aus diesen Beobachtungen folgt, dass Kap. 7 am besten als „Scharnier“ zwischen dem ersten und dem zweiten Buchteil zu betrachten ist.
- c) Architektonische Struktur nach A. Lenglet (für Dan 2–7, 1972), erweitert durch J. Doukhan (für Dan 7–12, 1989):
Diese literarische Struktur stützt im Übrigen auch:
- die Einheitlichkeit des Danielbuches als gewollte Gesamtkomposition,
- die Identifizierung der vier Weltreiche von Kap. 2 mit denen von Kap. 7,
- die Unterscheidung und typologische Verbindung zwischen Antiochus Epiphanes und dem endzeitlichen Gottesfeind.
Botschaft
Das Exil bedeutete für das Volk Israel das Ende der sichtbaren Gegenwart Gottes durch Königtum und Tempel. Es kam die Frage auf, ob und wie JHWH weiter herrscht. Viele Israeliten verloren auch ihr Vertrauen in den scheinbar abwesenden Gott. Auf diese Fragen und Nöte antwortet das Buch Daniel:
a) Im Buch Daniel geht es um das Verhältnis zwischen den Reichen dieser Welt und dem Reich Gottes. Alle Herrscher dieser Welt sind Gott unterstellt. Sie sind aufgefordert, sich der Souveränität Gottes unterzuordnen. Gott lenkt den Lauf der Zeiten. Am Ende wird er sein ewiges Reich errichten.
–> „Die Herren dieser Welt gehen – unser Herr kommt.“
Dabei übergibt Gott in der Vision Dan 7,9–14 die universale Herrschaft dem Menschensohn, der mit den Wolken des Himmels kommt.
b) Angesichts dieses Wissens sollen die Gläubigen ermutigt werden, unter der Fremdherrschaft heidnischer Mächte und besonders in der Zeit der großen Bedrängnis durch den Gottesfeind ganz auf Gott zu vertrauen – er wird sich als treu erweisen und am Ende Errettung, Genugtuung und ewiges Leben schenken.
–> „Wer Gott treu ist, dem ist auch Gott treu.“
In diesem Zusammenhang wird in Dan 12 eine Auferstehung der Toten angekündigt – eine der wenigen alttestamentlichen Stellen, die sich explizit mit dem Leben nach dem Tod befassen.