Der Prophet Hosea
Thema: Geistliche "Hurerei" im Nordreich Israel
Und ich will Jesreel (Gott wird ausstreuen) in meinem Land einsäen und ich will mich erbarmen über Lo-Ruchama (Kein Erbarmen), und ich will sagen zu Lo-Ammi (Nicht mein Volk): „Du bist mein Volk“, und er wird sagen: „Du bist mein Gott.“
Hosea 2,25
Der Prophet
Hosea, Sohn Beeris, übte sein Amt als Prophet aus in den letzten Jahren des Nordreiches Israel bis zu dessen Untergang (Fall Samarias) im Jahr 722 v. Chr. Die Datierung in 1,1 lässt einen Zeitraum von mindestens 753 v. Chr. (Ende der Regierungszeit von Jerobeam II. in Israel) bis 715 v. Chr. (Beginn der Regierungszeit Hiskias von Juda) zu. Es gibt allerdings im Buch selbst kaum Hinweise, dass Hosea nach dem Untergang des Nordreiches noch aktiv war.
Persönlich ist über Hosea nicht viel bekannt. Er heiratete Gomer, eine Prostituierte, und zeugte mit ihr drei Kinder, denen er symbolische Namen geben musste. Sowohl die Hochzeit als auch die Zeugung der Kinder waren Teil des prophetischen Dienstes.
Aus den Worten Hoseas klingt ein leidenschaftlicher Charakter und eine starke Sympathie für sein Volk trotz der Gerichtsbotschaft an. Hosea ist herausragend im Umgang mit der poetischen Sprache.
Die politischen Umstände
Könige des Nordreiches zur Zeit Hoseas:
König | Zeit | Bedeutung | in 2Kö | in Hos (Am) |
Jerobeam II | 793–753 | unterstützt den Götzendienst in Bethel; hoher Lebensstandard durch Unterdrückung der Armen | 14,23–29 | 1,1 (Am 1,1; 5,7–11) |
Sacharja | 753 | sein Tod von Amos und Hosea prophezeit | 15,8–12 | 1,4–5 (Am 7,9) |
Schallum | 752 | Mörder Sacharjas; chaotische Politik | 15,13–15 | 7,7; 8,10; 13,11 |
Menahem | 752–742 | Mörder Schallums; Unterdrücker seiner Feinde; zahlt Tribut an Tiglat-Pileser III | 15,14–23 | 7,11; 12,1 |
Pekachja | 742–740 | Sohn Menahems; chaotische Politik | 15,23–26 | 6,7–9 7,3–7 |
Pekach | 740–732 | Mörder von Pekachja; verschwört sich mit dem Rezin von Damaskus gegen Assyrien; Schlüsselfigur im syro-ephraimitischen Angriff gegen Juda; wurde Vasall Assyriens | 15,25–31 16,1–9 | 5,8–7,16 |
Hosea | 737–722 | Mörder von Pekach; rebelliert gegen Assyrien; gefangengenommen von Salmanasser V.; letzter König des Nordreiches Israel | 15,30 17,1–6 | 10,3–8; 13–15; 13,9–16 |
Assyrische Könige zur Zeit Hoseas:
Tiglat-Pileser III. („Pul“), 745–727: Wiedererstarken der Macht Assyriens
Salmanasser V., 727– : Zerstörung Samarias, Deportation israelitischer Bevölkerung
Jerobeam II. war in der Lage gewesen, die Grenzen des Nordreiches Israel wiederherzustellen, nachdem die Assyrer durch andere Konflikte geschwächt waren. Nach dem Tod Jerobeams II. wurde das Nordreich allerdings instabil. In 30 Jahren regierten 6 Könige, von denen drei zwei Jahre oder weniger an der Macht waren und von denen vier umgebracht wurden. Gleichzeitig nahm die Bedrohung durch die Assyrer zu. Hoseas Auftreten stimmt in etwa mit der Regierungszeit Tiglat-Pilesers III. überein (ca. 745–727). Die biblischen Angaben (2Kö 15,19) und assyrische Aufzeichnungen bestätigen sich gegenseitig darin, dass Menahem schwere Tributleistungen an Tiglat-Pileser III. zu entrichten hatte. Menahem meinte, er könne mit assyrischer Unterstützung seine schwache Position als König festigen. Deshalb erklärte er sich zu enormen Tributzahlungen bereit, für die er Steuern eintrieb (2Kö 15,20, vgl. Hos 8,8–10; 12,2).
Während von außen her die Bedrohung durch die Assyrer immer mehr zunahm, verzettelte man sich im Innern mit Intrigen und Machtkämpfen. Die fortwährende Labilität und die Unfähigkeit, eine stabile Dynastie zu schaffen, machten sich besonders in dieser Zeit bemerkbar (Hos 7,7; 8,4).
Der syro-ephraimitische Angriff auf Juda (s. a. Einleitung zu Jesaja): Verschiedene syrische Kleinstaaten schlossen sich mit dem Nordreich Israel zu einer Koalition gegen die Assyrer zusammen. Das Südreich Israel unter König Ahas wollte nicht beitreten und wurde deshalb als erstes von der Koalition angegriffen (vgl. Hos 5,8–10).
Die Hinweise auf Ägypten beziehen sich wohl auf die zweite Hälfte der Regierungszeit von König Hoschea von Israel. Nachdem er sich zunächst Assur als Vasall unterworfen hatte, wandte er sich später Ägypten zu, um von dort Unterstützung für seinen Aufstand gegen Salmanassar V. zu erhalten (vgl. Hos 12,2).
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Literarkritische Fragestellungen
Das Buch Hosea bietet kaum Hinweise auf unterschiedliche Bearbeitungsschichten. Ein Element, das teilweise als sekundär gesehen wird, sind die Erwähnungen das Südreiches Juda an einigen Stellen, obwohl das Buch sich sonst nur mit dem Nordreich Israel befasst. Es wäre allerdings merkwürdig, wenn Hosea sich über Juda ausschweigen würde. Bei mehreren der Bezüge auf Juda steht es im Parallelismus gegenüber dem Nordreich „Israel“ bzw. „Ephraim“. Eine literarkritische Operation würde hier den Aufbau der Poesie zerstören.
Eine Fragestellung ergibt sich dann, wenn man das Buch Deuteronomium in das 8. Jh. v. Chr. datiert (Wellhausen-Schule). Ist Hosea dann eher von Dtn abhängig oder umgekehrt? Wenn man das Buch Deuteronomium in die Zeit Moses datiert, hat man dagegen eine zwanglose Erklärung: Hosea hat die Botschaft des Bundesbuches in seine eigene Zeit hinein übersetzt und aktualisiert.[1]
[1] Zenger (in Zenger u. a., Einleitung 92016, 639–640) spricht sich für einen komplexen Entstehungsprozess aus aufgrund von literarischen und zeitgeschichtlichen Bezügen sowie verschiedenen Perspektiven. Dillard / Longman (Introduction, 398–399) besprechen nur die Datierung des Wirkens Hoseas auf den Zeitraum zwischen 750 und 715 v. Chr. Childs (Introduction, 377–380) spricht sich gegen eine postexilische Entstehung aus und bzgl. Hos. 4–14 gegen eine unveränderte Niederschrift mündlicher Botschaft des Propheten sowie insgesamt für eine selektive, ordnende Sammlung und Redaktion von Prophetenworten. Stuart (Hosea–Jonah WBC, 14–15) spricht sich für die Einheit und Authentizität des Buches sowie eine Entstehung im späten 8. Jh. v. Chr. aus.
Hos 1–3: Die Ehe Hoseas mit Gomer
Um den Israeliten ihre „geistliche Hurerei“ vor Augen zu führen, wird Hosea von Gott beauftragt, eine Prostituierte zu heiraten. Die drei Kinder, die er mit ihr zeugt, bekommen symbolische Namen, die das Gericht Gottes über sein Volk zum Ausdruck bringen:
- Sohn Jesreel „Gott wird ausstreuen“: Israel wird in der Ebene Jesreel zerstreut, d. h. deportiert werden.
- Tochter Lo-Ruchama „kein Erbarmen“ („sie hat kein Erbarmen erfahren“, Pu’al-Form): Gott nimmt sein Erbarmen von Israel weg.
- Sohn Lo-Ammi „nicht mein Volk“: Israel ist nicht mehr Gottes Volk.
In Hos 2,2f und 2,25 werden dann für die zukünftige Heilszeit die entsprechenden Gegenbezeichnungen gewählt.
Auslegungsprobleme: Musste Hosea tatsächlich eine Prostituierte heiraten oder handelt es sich um eine fiktive Handlung? Argumente für ein tatsächliches Geschehen sind:
- Der Text stellt die Ereignisse als historisch dar.
- Es werden einige Details berichtet, die bei einer Gleichniserzählung unnötig wären. Zum Beispiel hat Gomers Name und Vatersname keine passende symbolische Bedeutung; das Entwöhnen von Lo-Ruchama wird erwähnt.
- Hätte Hosea dies als Allegorie aufgeschrieben, hätte er dem Ansehen seiner eigenen Familie sehr geschadet.
Als Argument gegen ein tatsächliches Geschehen wird eingewendet, dass Gott Hosea doch nicht gezwungen hätte, ein biblisches Gebot zu übertreten. – Aber gerade das macht das Zeichen so bemerkenswert. Die offensichtliche Gebotsübertretung soll dem Volk die eigene Gottlosigkeit vor Augen führen.
In einer zweiten Phase seines Dienstes musste Hosea noch einmal eine ehebrecherische Frau nehmen, durfte sie aber nicht berühren. Es wird diskutiert, ob es sich dabei um Gomer handelt oder um eine andere Frau. Die symbolische Bedeutung war in diesem Fall, dass auch das Volk Israel eine Zeit der „Abstinenz“ durchleben, d. h. ohne Könige und Oberste und ohne Priester sein würde.
Hos 4–14: Die Verkündigung Hoseas
Die Gliederung dieser Kapitel ist schwierig. Es handelt sich um eine Aneinanderreihung einzelner Abschnitte, wobei allerdings auch die Grenzen zwischen den Abschnitten oft kaum zu erkennen sind. Einige Ausleger sehen zwei Zyklen, 4–11 und 12–14, die jeweils mit Gericht beginnen und mit dem Ausblick auf neue Hoffnung enden. Ob die Texte zuerst nur mündlich vorgetragen wurden oder von Anfang an auch schriftlich fixiert waren, wissen wir nicht.
Herausstechend sind die poetischen Bilder und Vergleiche, z. B:
Ja, Wind säen sie, und Sturm ernten sie. (Hos 8,7)
Vernichtet ist Samaria; sein König treibt wie ein abgeknickter Zweig auf der Wasserfläche. (Hos 10,7)
Und sie werden zu den Bergen sagen: Bedeckt uns! – und zu den Hügeln: Fallt auf uns! (Hos 10,8)
Mit menschlichen Tauen zog ich sie, mit Seilen der Liebe ... (Hos 11,4)
Sie alle glühen wie ein Ofen, sie verzehren ihre Richter. Alle ihre Könige fallen, keiner von ihnen ruft mich an. Efraim lässt sich unter die Völker verrühren, Efraim ist ein Brotfladen, den man beim Backen nicht wendet. Fremde verzehren seine Kraft, und er erkennt es nicht. (Hos 7,7–9)
Die Botschaft Hoseas basiert auf den Ankündigungen von Segen und Fluch im Sinaibund (siehe Einleitung in die Prophetenbücher). In einer treffenden und poetisch ausdrucksstarken Weise setzt er die zeitgeschichtlichen Ereignisse in Beziehung zum Willen Gottes, wie er in der Tora zum Ausdruck kommt. Der Schwerpunkt von Hoseas Botschaft liegt auf der Ankündigung des Fluches; das Gericht über Israel ist nach seiner Botschaft unabwendbar. Aber Hosea gibt auch Ausblicke auf kommendes Heil.
In seinen Predigten bezieht sich Hosea auch auf Ereignisse aus Israels alter Geschichte: Jakobs Kampf mit dem Engel (12,4–6), seine Werbung um Rahel (12,13), der Auszug aus Ägypten (z. B. 11,1; 12,14), die Wüstenwanderung (13,5f), das Verlangen nach einem König zur Zeit Samuels (13,10f).
Bemerkenswert ist Hos 11, wo das liebende Werben Gottes um sein Volk beschrieben wird sowie die Wende in Gott vom Zorn zum Erbarmen: „mein Herz wendet sich in mir um“ (11,8).