Der Prophet Haggai

Thema: Ermutigung zum Wiederaufbau des Tempels

Dieses Volk sagt: Die Zeit ist noch nicht gekommen, das Haus des HERRN zu bauen.

Und das Wort des HERRN geschah durch den Propheten Haggai: Ist es für euch selber an der Zeit, in euren getäfelten Häusern zu wohnen, während dieses Haus verödet daliegt?

Haggai 1,2-4

Historischer Hintergrund (Haggai und Sacharja)

Die Zerstörung des Tempels in 586 v. Chr., das Ende des davidischen Königtums und das Exil des Volkes in Babylon waren wohl die einschneidensten Ereignisse in der gesamten Geschichte des alten Israels. Damit ein solch starker Bruch nicht zum völligen Identitätsverlust führte, musste nach dem Ende des Exils nicht nur faktisch, sondern auch theologisch eine sehr bewusste Aufbauarbeit geleistet werden. Ein wichtiger Aspekt davon war die Wiedereinrichtung des Kultes.

Die ersten Heimkehrer unter der Führung des Serubbabel nach dem Jahr 538 v. Chr. errichteten daher als erstes den Brandopferaltar und führten das tägliche Morgen- und Abendopfer wieder ein, wie es im Gesetz des Mose angegeben ist. Auch wurde der Grundstein des neuen Tempels gelegt.

Widerstand in der Bevölkerung des Landes führte allerdings dazu, dass die Arbeiten am Tempel bald eingestellt wurden. Erst etwa 15 Jahre später, im Jahr 520 v. Chr., wurde der Tempelbau unter Serubbabel und Jeschua erneut in Angriff genommen. Das Buch Esra berichtet davon, dass dafür die Propheten Haggai und Sacharja den maßgeblichen Anstoß gaben, indem sie mit ihrer Prophetie zum Tempelbau ermutigten (Esr 5,1; 6,14). Die Einweihung des „Zweiten Tempels“ fand dann im Jahr 516 v. Chr. statt.

Serubbabel, ein Sohn Schealtiels, ein Nachkomme Davids (1Chr 3,1–19), war Statthalter von Jerusalem und für die politische Reorganisation der Stadt und des Umlandes verantwortlich.

Jeschua war Sohn des Jozadak, der wiederum Sohn des letzten amtierenden Hohenpriesters vor dem Exil gewesen war (2Kö 25,18). Seine Aktivitäten bestanden unter anderem in der Wiederaufrichtung des Altars, im Ausrichten von Opferungen und in der Mitwirkung beim Wiederaufbau des Tempels.

Durch den Bericht im Buch Esra sind wir also über die historischen Hintergründe der Prophetie Haggais und Sacharjas genau informiert. Die Prophetien des Haggaibuches sind genau datiert, der historische Zusammenhang ist stimmig. Das Buch kann daher gut als Ganzes auf die Person Haggais zurückgehen.[1]

[1]     So auch Dillard / Longman und Smith, die das prophetische Wirken von Haggai in die Jahre 520 / 519 v. Chr. einordnen (Dillard / Longman, Introduction, 479; Smith, Micah–Malachi WBC, 148). Anders Zenger (in Zenger u. a., Einleitung 92016, 695), der dafür argumentiert, dass „das Buch in seiner Endgestalt nicht auf den Propheten Haggai zurückgehen kann und dass mindestens zwei Entstehungsphasen anzunehmen sind“. Childs (Introduction, 467) spricht sich für eine redaktionelle Zusammenstellung mündlichen Materials aus, die nicht von Haggai selbst vorgenommen wurde. Leuenberger (Haggai HThKAT, 49–57) geht von einer mehrstufigen Entstehung von einer Grundschicht von Haggai oder dessen Schülern bis in die späte Perserzeit aus. Fußnote erstellt von Jens Winarske.

Haggai

Bibelkunde-Skript

Propheten Einführung

Bibelkunde-Skript

Der Prophet

Abgesehen von seiner Prophetie ist über Haggai nichts bekannt. Aufgrund von Haggai 2,3 wird vermutet, Haggai habe noch den ersten Tempel gesehen. Dies sagt der Vers aber nicht eindeutig. Eine andere Tradition besagt, dass Haggai mit Serubbabel aus Babylon zurückkam.

Haggai

Gliederung und Inhalt des Buches

Das Buch ist in vier Weissagungen gegliedert, die jeweils mit Datum eingeführt werden:

Hag 1,1

  1. Tag

6. Monat

2. Jahr des Darius

= 29. August 520 v. Chr.

Hag 2,1

21. Tag

7. Monat

2. Jahr des Darius

= 17. Oktober 520

Hag 2,10

24. Tag

9. Monat

2. Jahr des Darius

= 18. Dezember 520

Hag 2,20

24. Tag

9. Monat

2. Jahr des Darius

= 18. Dezember 520

Die erste Botschaft (1,1–15) richtet sich an Serubbabel und Jeschua. Das Volk meint, die Zeit für den Tempelbau sei noch nicht gekommen. Haggai weist aber darauf hin, dass Gott seinen Segen zurückhalten würde, solange der Tempel noch nicht errichtet sei. Es darf nicht sein, dass jeder nur für sein Haus sorgt, das Haus Gottes aber wüst dasteht.

Das Buch berichtet davon, dass Serubbabel und Jeschua auf die Worte Haggais eingehen. Dieser spricht ihnen daraufhin zu: „Ich bin mit euch, spricht der HERR“. Der Wiederaufbau des Tempels beginnt nur etwa 3 Wochen nach der Weissagung, am 24. Tag des 6. Monats (21. September 520).

Die zweite Botschaft (2,1–9) richtet sich an die anscheinend ernüchterten Bauleute, die traurig darüber sind, dass der neue Tempel weitaus weniger prunkvoll sein wird als der erste. Haggai weissagt, dass Gott dafür sorgen wird, dass in Kürze finanzielle Gaben von heidnischen Völkern eintreffen werden, so dass der Tempel prunkvoll ausgestattet werden kann. Solche finanziellen Gaben werden im Brief des Königs Darius in Esra 6,8f erwähnt.

In der dritten Botschaft (2,10–19) geht es darum, dass das Volk nicht glauben soll, es werde allein durch die Mitarbeit am Tempelbau schon ein heiliges Volk. Vielmehr gehört zur Heiligung auch eine entsprechende innere Haltung.

Die vierte Botschaft (2,20–23) ist eschatologisch ausgerichtet. Darin kündigt Gott an, die heidnischen Königreiche zu stürzen sowie Serubbabel für sich zu erwählen und wie einen Siegelring zu halten. Da Serubbabel ein Nachfahre des Königshauses Davids war, handelt es sich möglicherweise um eine messianische Verheißung.

Die Bedeutung der Botschaft Haggais für heute besteht vor allem in der Verbindung zu der Aussage Jesu in Matthäus 6,33: „Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch das alles zufallen.“ (vgl. vor allem Haggais erste Botschaft)

bible-zoom.de ist die Webseite von Julius Steinberg, Professor für Altes Testament an der Theologischen Hochschule Ewersbach