Der Prophet Jona

Thema: Die Verschonung Ninives: Jonas Hochmut und Gottes Gnade

Der HERR sprach zu Jona: ... Und ich, ich sollte nicht betrübt sein wegen der großen Stadt Ninive, in der mehr als 120.000 Menschen sind, die nicht unterscheiden können zwischen ihrer Rechten und ihrer Linken, und eine Menge Vieh?

Jona 4,11

Der Prophet

Nach 2. Kön 14,25 wirkte Jona, der Sohn Amittais, zur Zeit der Herrschaft Jerobeams II. (782–753) oder kurz davor im Nordreich Israel. Er stammte aus dem Ort Gat-Hefer (ca. 7 km nordöstlich von Nazareth). Aus dem Buch Jona erfahren wir über seine Sendung nach Ninive in Assyrien.

Inhalt des Buches

Als Jona von Gott den Auftrag erhält, nach Ninive zu gehen, um dort das Strafgericht Gottes anzukündigen, flieht er genau in die andere Richtung. Am Hafen von Jafo betritt er ein Schiff, welches nach Tarsis segeln will. Als unterwegs ein schwerer Sturm aufkommt, wird Jona aus dem hintersten Raum unter Deck geholt und zum Beten aufgefordert, wie es der Rest der Besatzung aus Verzweiflung und Angst tut. Sie werfen das Los, um zu schauen, wer an diesem Unglück schuld ist: Es fällt auf Jona. Auf seinen eigenen Vorschlag hin wird er ins Meer geworfen und der Sturm legt sich. Im Wasser wird Jona hinab in die Tiefe gezogen und von einem Fisch verschlungen, in dessen Bauch er ein Dankgebet spricht, bis er nach drei Tagen am Meeresufer ausgespien wird.

An Land angekommen erhält Jona erneut den Auftrag, Ninive das Strafgericht auszurichten. Diesmal führt er den Auftrag durch. Die Einwohner kehren von ihren falschen Wegen um und tun Buße, sodass Gott das Gericht nicht vollzieht. Die Verschonung Ninives ärgert Jona sehr, die Gnade und Barmherzigkeit Gottes seien auch der Grund, warum er anfangs geflohen sei. Nachdem Jona zu sterben wünscht und Gott ihn nach der Berechtigung seines Zorns fragt, lässt er sich vor der Stadt nieder. An seiner Hütte lässt Gott eine Rizinuspflanze für zusätzlichen Schatten an einem Tag entstehen und am anderen Tag wieder vergehen. Als Jona unter der Hitze wieder zu sterben wünscht, spricht Gott zu ihm: Während Jona sich über die Pflanze erbarmt, wo er doch keine Mühe mit ihr hatte, erbarme Gott selbst selbst sich über Ninive, eine Stadt mit vielen Einwohnern, die nicht zwischen rechts und links unterscheiden können.

(Inhaltsangabe von Jan Silas Siebdraht)

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Historizität

Das Buch Jona gibt einige sehr außergewöhnliche Ereignisse wieder: Jona hält sich drei Tage lang im Bauch eines großen Fisches auf; eine ganze heidnische Stadt bekehrt sich aufgrund von Jonas Prophetie; eine Pflanze wächst an einem Tag, so dass sie Jona Schatten spendet, und sie vertrocknet wieder am nächsten Tag. Wie ist mit diesen außergewöhnlichen Ereignissen umzugehen?

Zwei Fragen:

  1. Beansprucht das Buch, historische Ereignisse wiederzugeben?
  2. Sind die Ereignisse historisch glaubhaft?

Die erste Frage betrifft die Gattung des Buches und den mit der Gattung verbundenen Wahrheitsanspruch (siehe die Einführung zu den Gattungen). Der Rahmen des Buches kennzeichnet es als eine historisch-theologische Erzählung: Jona ist keine fiktive Gestalt, sondern eine historische Person, die auch im Königebuch erwähnt wird. Das Wort des HERRN „geschah zu Jona“, wie es auch zu den anderen Schriftpropheten geschah. Eine der Gattungen „Gleichnis“, „Parabel“, „Allegorie“ liegt nicht vor.

Offensichtlich unglaubwürdige Ereignisse können allerdings auf eine fiktionale Gattung verweisen, auch wenn sonst die Gestalt einer historischen Erzählung gewählt wird (vgl. Baron von Münchhausen). Die Entscheidung, ob Ereignisse offensichtlich unglaubwürdig sind, darf allerdings nicht aus heutiger Sicht getroffen werden, sondern muss im Sinne der ersten Leser getroffen werden. Diese hatten sehr wahrscheinlich kaum Probleme, die Geschichte als wahr anzuerkennen. Alle alten Zeugnisse über das Buch sehen es als historisch an.

Es spricht also viel dafür, dass die Gattung des Buches Jona einen historiographischen Anspruch hat.

2. Zur historischen Glaubwürdigkeit der Ereignisse:

Jona im Walfisch

Im Februar 1891 wurde tatsächlich ein Walfänger von einem Pottwal verschluckt. Dieser wurde noch am selben Tag gefangen. Am nächsten Tag fand man beim Verarbeiten des Wals den bewusstlosen, aber noch lebenden Walfänger im Magen des Fisches wieder, der sich im Verlauf einiger Wochen wieder fast vollständig erholte (siehe Kopie). Im Juni 2021 wurde in vielen Zeitungen von einem Taucher berichtet, der sich für ca. 30 Sekunden im Maul eines Wals wiederfand (siehe Link unten).

Wer dieser Argumentation mit dem Analogieprinzip nicht folgen möchte, kann sich immer noch auf ein direktes Eingreifen Gottes berufen. Der Text stellt jedenfalls das Ereignis als Eingreifen Gottes dar.

In Kap. 2 spricht Jona im Bauch des Fisches einen Psalm. Es muss nicht davon ausgegangen werden, dass er tatsächlich im Bauch des Fisches einen poetischen Text verfasste. Plausibel ist die Vorstellung, dass er im Bauch des Fisches zu Gott um Hilfe schrie und später seine Worte poetisch einkleidete.

Können Wale Menschen verschlucken?

Dass ein Mensch sich im Maul eines Wals wiederfindet, passiert extrem selten – und nur eine Walart hat die Fähigkeit, Personen dann auch zu verschlucken.

https://www.nationalgeographic.de/tiere/2021/08/koennen-wale-menschen-verschlucken

Die Stadt Ninive

Nach Jona 3,3f maß Ninive drei Tagereisen im Durchmesser (60 km), nach Jona 4,11 lebten dort 120.000 Menschen. Obwohl Ninive tatsächlich eine große Stadt war, scheinen dennoch beide Angaben wesentlich zu hoch gegriffen. Verschiedene Erklärungsmöglichkeiten werden angegeben, die wahrscheinlich beste von C. F. Keil. Keil beruft sich auf Gen 10,11f:

Von diesem Land zog er [Nimrod] aus nach Assur und baute Ninive, Rehobot-Ir, Kelach und Resen zwischen Ninive und Kelach: das ist die große Stadt.

Keil folgert, dass die vier genannten Orte zusammengeschlossen waren zu einem politischen Gebilde, das „die große Stadt“ genannt wurde. Auch in Jona 1,2, 3,2 und 4,11 wird Ninive mit dem Zusatz „die große Stadt“ benannt. Wenn es sich beim Zielort von Jonas Mission tatsächlich um dieses Städtebündnis handelt, dann sind sowohl die Entfernungsangaben als auch die angegebene Bevölkerung der Wirklichkeit entsprechend.

Was die Bekehrung der ganzen Stadt betrifft, so sagt zwar V. 5, dass „die Leute von Ninive“ an Gott glaubten, V. 6ff zeigt aber, dass diese Buße mit vom König ausging und von ihm per Dekret eingefordert wurde. Dies erklärt die große Einmütigkeit.

Die Staude oder Ranke

Jona 4,10 sagt nicht unbedingt, dass die Pflanze an einem Tag vom Samenkorn bis zur zwei Meter hohen Staude wurde. Es kann sich um eine Ranke gehandelt haben, die an Jonas Behausung hochgewachsen war und sich eines Morgens am Dach entlangrankte, so dass sie Schatten spendete. Es gibt auch Pflanzensorten, die sehr schnell wachsen und möglicherweise in Frage kommen (siehe konservative Kommentare). Alternativ ist auch hier wie beim Fisch von einem direkten Eingreifen Gottes auszugehen (vgl. 4,6).

Fazit: Wenn das Eingreifen Gottes bezüglich des Fisches und der Pflanze nicht methodisch ausgeschlossen wird, kann die Historizität der Jonageschichte gut vertreten werden. – Die bibelwissenschaftliche Forschung sieht die Jonaerzählung demgegenüber fast durchgehend als späte Legende oder Parabel an.[1]

[1]     Zenger (in Zenger u. a., Einleitung 92016, 669) spricht sich für eine Entstehung als einheitliches Werk „literarischer Prophetie“ in der 2. Hälfte des 4. Jh.s oder zu Beginn des 3. Jh.s v. Chr. aus. Dillard / Longman (Introduction, 444–445) stellen kurz die Diskussion dar, ob es sich um eine historische Geschichte handelt oder nicht, und sprechen sich nach einem Patt der Argumente am Ende gegen den Sinn der Frage für eine Interpretation des Buches aus, ansonsten diskutieren sie die Entstehung nicht weiter. Stuart (Hosea–Jonah WBC, 431–432) spricht sich für eine (nicht genauer mögliche) Datierung im Zeitraum ca. 750–250 v. Chr. und einen einzelnen Autor aus, der vermutlich nicht Jona war. Weimar (Jona HThKAT, 55.65) geht von einer Ursprungsfassung sowie einer zweifachen Bearbeitung aus und spricht sich für eine Entstehung im 3. Jh. v. Chr. in Palästina unter Herrschaft der Ptolemäer aus. Childs (Introduction, 421.424–425) spricht sich dafür aus, dass das Buch parabelartig und an gläubige Juden der Bundesgemeinschaft gerichtet ist sowie eine mehrstufige Entstehungsgeschichte hat. – Fußnote erstellt von Jens Winarske.

Jona

Bibelkunde-Skript

Propheten Einführung

Bibelkunde-Skript

Der literarische Aufbau des Buches

1. Das Schiff und das Meer

2. Die Stadt und die Ebene

1a. Erzählung

1b. Kommentar

2a. Erzählung

2b. Kommentar

1,1–3 Umstände

2,1 Umstände

3,1–3 Umstände

4,5 Umstände

1,4 Krisensituation:

Schiff droht zu kentern

2,4 Krisensituation:

Jona droht zu ertrinken

3,4 Krisensituation:

Ninive droht unterzugehen

4,1 Krisensituation:

Ninive droht bestehen zu bleiben

1,14 Antwort der Seeleute:

Seeleute beten

2,3.8 Antwort Jonas:

Jona betet

3,5–8 Antwort der Einwohner Ninives:

Buße und Gebet

4,1–4 Antwort Jonas:

Wut und Gebet

1,15b Antwort Jhwhs:

Schiff wird bewahrt

2,7b.10b Antwort Jhwhs:

Jona wird gerettet

3,10 Antwort Jhwhs:

Ninive bleibt bewahrt

4,6-8 Antwort Jhwhs:

Rizinus, Wurm, Wind

1,16 Seeleute opfern

2,10 Jona opfert

3,10 Gott ändert sein Urteil ab

4,10–11 Gott bittet Jona, sein Urteil zu ändern

(nach Barnard van’t Riet)

Jona

Botschaft

Das Buch Jona hinterfragt die israelitische Überheblichkeit gegenüber den heidnischen Nationen. Falscher Nationalstolz wird entlarvt. Element der Beschämung. Gleichzeitig zeigt das Buch, dass Gottes Heilshandeln sich nicht auf sein erwähltes Volk beschränkt, sondern dass alle, die zu ihm kommen, Hilfe und Rettung erfahren.

  • Jona meint, mit dem Schiff vor Gott fliehen zu können und ihm „aus den Augen zu kommen“, obwohl er gleichzeitig der Überzeugung ist, dass Jhwh der Gott des Himmels ist, der das Meer und das Trockene gemacht hat.
  • Jona spricht sehr eingebildet von seinem Gott, aber es sind die heidnischen Seeleute, die Jonas Gott ernstnehmen und ihn um Hilfe anflehen. Sie verstehen mehr von Gottes Willen als Jona selbst es tut.
  • Auf die Predigt Jonas hin bekehrt sich sogar eine ganze heidnische Stadt zu Gott. Jona dagegen ist so von seinem Hass bestimmt, dass er über Gottes Gnade zornig wird. Wieder verstehen die Heiden mehr von Gottes Willen als Jona und mit ihm Israel selbst.
bible-zoom.de ist die Webseite von Julius Steinberg, Professor für Altes Testament an der Theologischen Hochschule Ewersbach